I
Der Vater Yogim stand an der Klippe und schaute aufs Meer. Der Rand des Horizonts lag weit unter ihm zu beiden Seiten. Im Rücken ward schon der Himmel dunkelblau und ein blasses Sternennetz wölbte sich über den Gipfeln der Muratoberge. Er fröstelte und zog seine Überschuhe an. Noch einmal betrachtete er sein Tagwerk. Ein paar gute Schritt hatte er heute Steine verlegt, ein paar Stufen weiter gebaut in den kargen Fels, der von rauhem Gras und windzauseligen Büschen bedeckt war. Mit dem Blick aufs Meer ging er den von ihm in den letzten Monaten verlegten Weg herunter. Er wohnte für die Zeit im Dachboden vom Steinhaus der Familie der Wirtin Eiwa, die hier am rauhen Kliff Schafe hielten und Weissagung nach den Sternen betrieben.
Von der Kneipe her kam ihm eine junge Frau entgegen. Er stockte. Es war seine Tochter Yora. Als sie einander näher kamen, lächelte sie. Was machst du hier? fragte sie Yogim. Ist alles in Ordnung? Yora machte eine wegwischende Geste. Ich fliege mit Gaunami und Weedern ins Sternsystem Priboria. Ich werde lange bleiben, vielleicht ein halbes Jahr. Yogim sah sie von der Seite an, während sie zur Kneipe liefen. Seine Tochter würde in den Weltenraum fliegen, sie würde ihn und Miranis verlassen. So gingen die Dinge. Er selber, wenn er noch jünger wäre, er wäre auch geflogen. Yora hörte auf zu reden. Er hatte ihr nicht zugehört. Ja, sagte er, so verlässt du uns nun also. Yora schwieg. Iss mit zu Abend, sagte er auf der Schwelle. Ich kann nicht, ich muss gleich wieder los, sagte sie, es ist etwas Dringendes.
II
Er sass in der Pensionskneipe, die hoch überm Tal lag an den Weinhängen und ass und trank und spielte danach Karten und rauchte etwas Wüstengras. Miranis war in seinen Gedanken, es war Siesta im Herbst und die sonnige Wärme und der Wind und die gelben Blätter gegen den blauen Himmel machten ihn jugendlich. Ronus, ein Kollege aus dem Tal der ihm hier half, sass an der Bar während Yogim am offenen Fenster sass mit dem Blick über das Flusstal der rostroten Grossstadtruinen. Es war ein steiler Hauptweg der viel Kraft beanspruchte. Er baute fast nur noch Bergwege, sie waren die schönsten für ihn. Langsam wurden es weniger Wege die er annahm. Bald, überlegte er, würde er die Wegpflege in seinem Dorf übernehmen und ausbessern und würde Mittag mit Miranis essen und Abend auch.
Ein Maschinenberger aus dem Tal ging an ihm vorbei zur Bar. Dessen Geruch nach Rauch und dem Öl der prähistorischen Maschinen erinnerte ihn unwillkürlich an seine Zeit in den Maschinenbergwerken als junger Mann. Er war Junggeselle gewesen und ohne Bedürfnis, dem eigenen Leben eine zu konkrete Richtung zu geben. Er dachte mit einer gewissen Wehmut zurück. Damals war ihm seine Angst abhanden gekommen. Er wusste nicht wo sie hingegangen war, er stellte nur irgendwann ihr Fehlen fest. Nach einer gewissen Gewöhnung erschien es aber fast noch erstaunlicher, wo sie überhaupt jemals hergekommen war. Diese neue Situation endete damals recht schnell in einem Konflikt mit den sich als weisungsbefugt Glaubenden und führte schnell zum Ende seiner Tätigkeit in den Bergwerken. Vielleicht waren es die Arbeiten seiner Ahnen, die hier anklangen und ihn neu geführt hatten zum Wegebau, wo Wind wehte, Rat teuer war und das Herz richtig pochte.
III
Wegebauerin wie ihr Vater hatte sie nicht werden wollen, das hatte sie schon früh gewusst. Dazu liebte sie zu sehr das Reisen und die Geschwindigkeit, das Abenteuer. Ihr Vater war oft länger weg geblieben und das hatte ihre Fantasie angeregt von fernen Gegenden mit exotischen Dingen die er manches mal mitbrachte. Ihr Dorf lag fernab der Peripherien. Zu Beginn ihrer Pubertät dann hatte sie ihre Eltern bekniet mit einem fahrenden Händler und Heiler mitziehen zu dürfen und war in der Bezirkshauptstadt durch ihre aufmerksame Ader recht schnell in eine Anwärterschaft für unterhändlerische Dienste gelangt. Dort hatte sie sich einen Namen gemacht als harte Verhandlerin mit den Gaunami, einem Volk draussen in der Rostwüste, das sie mit ihrem geliebten Jet beflog. Miranis, ihre Mutter, schwankte manches mal den Kopf, wenn sie an die eigene Art von Yora dachte. Von Miranis hatte Yora das Geheimnis geerbt, von ihrem Vater Yogim, die Fähigkeit, diese Welt auf neuen Wegen zu verlassen. Das Unbändige in ihr war stark und niemand konnte ihr ihre besonderen Erfahrungen nehmen, auch wenn es bisweilen einsam war, so war sie doch glücklich über ihr Los.
IV
Bei einem Sommerfest wurde Sarjon, ein berühmter Autor der Weeder, einmal gefragt, was das Geheimnis seines Erfolgs sei. Seine Antwort: er schreibe nur nackt. Die Weeder waren ein geselliges Volk mit Charme und einem Hang zu Neurotik und Paranoia sowie ungewöhnlichen Bräuchen wie dem Mittsommerwettliegen. Ihr Ansehen erinnerte in den Grüntönen und der Runzligkeit an Bäume.
Nein, diesmal ist es etwas anderes. Es muss einen besonderen Grund geben, dass sie nicht verrieten, weshalb ich kommen soll, meinte Yora. Vielleicht haben sie etwas an der Grenze entdeckt. Unsinn, sagte Colomba, hinter der Grenze ist nichts, nur Sand, solange du auch fliegst. Yora schwieg eine Weile. Wir werden sehen, auf jeden Fall ist es seltsam, das ich Begleitung von euch mitbringen soll. Naja, lachte Colomba, ein paar Weeder freuen sich, ihnen ist recht langweilig im Sommer, wo es weder zu säen noch zu ernten gibt. Colomba hatte nicht recht. Späher der Gaunami hatten weit hinter der Grenze etwas entdeckt, was ihren Rat dazu veranlasst hatte, Yora zu rufen und auch noch ein paar knorrige wilde Weeder, was sie selten taten, denn die Gaunami trieben zwar Handel mit ein paar Weederhändlern aber sie waren von stolzem asketischen Schlag und baten ungern um Hilfe.
Yoras Jet war am Handelsschiff vom Händler Kunarub vertaut und zusammen mit Garro, einem ruhigen drahtigen Weeder mit langen Dreads, Marub, einem abenteuerlustigen bärtigen Weeder mit funkelnden Augen und Colomba waren sie auf dem Weg zu den Gaunami. Es war ruhig vorne im Schiff. Garro und Marub sassen in der Stille an der Navigation. Kunarub hatte sich mit Colomba schlafen gelegt. Yora war in ihrem Jet. Ferne Sonnen standen weit über dem dunkelblauen Firmament. Marub freute sich auf das Emufleisch der Gaunamer. Garro wusste dass es ins Weltenall gehen würde. Er hatte es gesehen und er wusste das Yora es auch spürte.
[…]